GRAUER HOF GESCHICHTE
ZUR BAUGESCHICHTE DES GRAUEN HOFES
Am 24. August 1309 übereignet Graf Otto II. von Aschersleben einen Hof in der Stadt an das Kloster Michaelstein. Damit und mit der zu großen Teilen erhaltenen mittelalterlichen Bausubstanz ist der Graue Hof eines der ältesten Profangebäude in Sachsen-Anhalt.
Namensgebung (abgeleitet von „Grafen“-Hof, von den „grauen“ Brüdern des Zisterzienserordens oder von der Schiefereindeckung?) und ursprüngliche Ausdehnung liegen weitgehend im Dunklen.
Erhalten ist der Ostflügel des Hofes, der früher wohl eine geschlossene Anlage bildete. Langgestreckte Mauerzüge bis zum Zwinger an der Luisenpromenade und straßenbegleitend zur Hohen Straße sowie in der Umgebung des Beyseturmes der Stadtbefestigung könnten auf die ursprüngliche Ausdehnung des Grauen Hofes hindeuten. Eine zeitliche Einordnung des Mauerwerks und der hintermauerten Pforte in der Gasse zur Hohen Straße ist kaum möglich.
Die meisten Hinweise auf die baugeschichtliche Entwicklung bergen daher die noch erhaltenen Bauten des Grauen Hofes, also das durch den Aschersleber Kunst- und Kulturverein genutzte „Hauptgebäude“, das ehemalige Stadtgefängnis, welches leicht versetzt unmittelbar anschließt und ein hofseitiger Flügel.
Das äußere Erscheinungsbild des Hauptgebäudes des Grauen Hofes dürfte weitgehend ursprünglich erhalten sein. Die ca. 4 m hohe Durchfahrt ist hofseitig spitzbogig, straßenseitig jedoch als Rundbogen ausgeführt, möglicherweise wurde in jüngerer Zeit hier der Spitz- durch einen Rundbogen ersetzt. Die schmalen hochrechteckigen Fensteröffnungen, teilweise mit scharrierten Gewänden versehen, dürften unverändert geblieben sein.
Prägnant ist das dreiteilige spitzbogige Fenster, dessen Mittelteil die beiden Seitenteile überragt. Als bedeutendste Bauzier des Grauen Hofes lässt sich dieses dem Ende des 13. Jahrhunderts als frühgotische Epoche zuordnen.
Die Ost - West - Ausrichtung des Raumes, ein sehr kleines Wasserbecken am westlichen Fenster (für Weihwasser?) und ein Ausguss (Piscina) links neben dem dreiteiligen Fenster deuten auf die Nutzung als Kapelle hin. Eine solche wird 1426 und 1442 anlässlich der Verleihung von Ablässen durch die Halberstädter Bischöfe urkundlich erwähnt.
Im Inneren des Grauen Hofes sind mehrere gotische Türgewände erhalten: am südlichen Ende im Erdgeschoss hinter der Treppe zum 1. Obergeschoss und gegenüber dem Eingang zur sogenannten Kapelle, beide Pforten sind vermauert.
Im 2. Obergeschoss ist ein weiteres gotisches Türgewände erhalten: als Verbindungstür zwischen Galerie und Kino. Diese Tür deutet daraufhin, dass sich früher anstelle des heutigen Daches ein weiteres Vollgeschoss analog der Galerie befand.
Ein weiteres Indiz hierfür ist die bemerkenswert hohe schwarze Küche mit gotischen Stilmerkmalen (spätmittelalterlich) im Erdgeschoss.
Auf noch ältere Substanz des Grauen Hofes deutet ein Fund aus der Auffüllung unterhalb des Erdgeschossfußbodens hin: ein kleines, reich verziertes romanisches Kapitell aus dem 12./13. Jahrhundert.
Somit ist es möglich, dass die Bausubstanz des Grauen Hofes im Kern romanischen Ursprungs ist.
Auf das Nachwirken der Romanik deutet das Türgewände einer frühgotischen Pforte aus der Zeit um 1300 auf der Südseite des Hofes hin.
Der südwestlich an den Grauen Hof anschließende Anbau besitzt ein massives Erdgeschoss aus dem Mittelalter und einen Fachwerkaufsatz aus dem 19. Jahrhundert.
Im Erdgeschoss ist eine große rundbogige Tordurchfahrt erhalten: zur Südseite hin ist sie offen, vom Grauen Hof aus wurde später eine rechteckige Garageneinfahrt hineingebaut, so dass heute nur noch der Ansatz des Bogens zu erahnen ist.
Zusammenfassend ist die Bausubstanz des Grauen Hofes in das 13. Jahrhundert auf der Schwelle von der Romanik zur Gotik einzuordnen. Mit den vielen erhaltenen Details zählt der Graue Hof zu den ältesten und interessantesten mittelalterlichen Profanbauten Sachsen-Anhalts.
Der 1990 gegründete Aschersleber Kunst- und Kulturverein e.V. arbeitet sich seitdem an der denkmalgerechten Sanierung des Grauen Hofes und der Entwicklung eines Kunstquartiers in der benachbarten historischen Bausubstanz.
Bernhard Lohe