GRAUER HOF GESCHICHTE

HISTORISCHE ANSICHT VON ASCHERSLEBEN

 

Nutzungsgeschichte des  Grauen Hofes  zu Aschersleben

 

Die Geschichte des Grauen Hofes in Aschersleben ist eng mit der des Klosters Michaelstein verknüpft, welches, 1147 gegründet, als eines der reichsten und vornehmsten Mönchskloster dieser Zeit im Vorharz galt. Neben Pforta bei Naumburg zählte es zu den Zisterzienserhauptklostern in Mitteldeutschland, dessen Blüte zu Zeiten Barbarossas einsetzte.

Die hier lebenden Mönche beschäftigten sich intensiv mit den Künsten und der Wissenschaft. So verzeichnet das Leipziger Universitätsalbum für die Jahre zwischen 1429 und 1517 regelmäßige Besuche von Ordensmitgliedern aus dem Kloster Michaelstein. Vor allem aber galten diese als tüchtige und kluge Landwirte, welche sich stets bestrebt zeigten, Besitzungen in der Umgebung zu erwerben, um dort ihre Erzeugnisse besser absetzen zu können. So kamen sie auch in der Stadtumgebung von Aschersleben durch Ankauf und Schenkung mancherlei Fürsten und adeliger Herren zu Ackerbesitz und steigerten ihren Wohlstand kontinuierlich. Ihre Hauptförderer dabei waren die Grundherren von Aschersleben Graf Otto I. und dessen Sohn Graf Otto II. Ersterer verkaufte den Mönchen 1293 etwa vierunddreißig Hufen Land zu Hargisdorf und Haseldorf - zwei damals allmählich zu Wüstungen werdende Dörfer an der Stelle, wo sich später das alte Königsaue befand - und verlieh ihnen das (das dortige) Patronatsrecht. Auch überließ er den Ordensbrüdern die von ihm niedergerissene Burg zu Winningen und verkaufte ihnen weitere vierunddreißig Hufen umliegendes Land, auf welchem sich die Mönche einen Gutshof errichteten. Graf Otto II. schenkte ihnen in der Folge zwölf Hufen zu Hargisdorf, zusätzlich erwarben sie die Zehntgerechtigkeit in den Fluren von Winningen sowie die der Wüstungen Seedorf, Hargisdorf und Haseldorf.

Um diesen reichen Landbesitz bequemer und sorgfältiger verwalten und bewirtschaften zu können, übergab Graf Otto II. 1309 dem Orden askanischen Grundbesitz, den heutigen Grauen Hof zu Aschersleben. Dieser dürfte schon bestanden haben, und diente vermutlich als landwirtschaftliches Nutzgebäude, welches zur Burg der Askanier gehörte. Da die Schenkung „schoß- aber nicht wachfrei“ erfolgte, musste das Kloster Michaelstein dem Aschersleber Rat zum Schutze einen jährlichen Zins von 2 Mark Silber zahlen. Dieser sicherte den Brüdern Steuerfreiheit zu, was vor allem für die weitere Nutzung der Anlage als Zisterzienser-Wirtschaftshof, zur Lagerung und Weiterverarbeitung der landwirtschaftlichen Erträge aus den umliegenden Besitzungen von Vorteil war.

Die Zisterziensermönche brachten neben ihrer Glaubenspflege und intensiver Landkultur in Form von Landwirtschaft, Fischzucht, Mühlenbewirtschaftung und Gartenkultur,  auch wichtige Schulfunktionen in die jeweilige Stadt ein. Vielleicht kann man die Gründung des Stephaneums 1325 in diesem Kontext sehen, wobei die Chroniken auch auf ein vermehrtes Interesse der Bürger an Allgemeinwissen, wohl begünstigt durch die große Handelstätigkeit der Stadt, hinweisen. Die sogenannten „Grauen Höfe“, auch Quedlinburg und Halberstadt verfügten über einen solchen, waren also immer stadtkulturelle Kristallisationspunkte mit spezifischer Funktionalität. 

 

Die günstige Lage der Stadt Aschersleben an der Nordost-Ecke des Harzes, die Nähe von Wasserläufen und Seen sowie das seit Ende des 11. Jahrhunderts bestehende Münzrecht mit Marktgerechtigkeit zur Abhaltung von Jahrmärkten, verhalf der Grafschaft, welche seit 1318 auch Reichsfahnenlehen war, zu regionaler Bedeutung. Schon 1266 erhielt man das Halberstädter Stadtrecht, seit 1304 sind die Innungen der Kaufleute und Schmiede bestätigt.

Der Graue Hof lag 1325 als einziges Gut innerhalb der Stadt, was das große, vor allem wirtschaftliche Interesse von Kloster und Stadt an dem Gebäude erklärt. Er stellte mit seinen Ländereien einen äußerst wertvollen Besitz dar und war in den folgenden Jahrhunderten häufig Gegenstand von Beleihungen und Besitzstreitigkeiten.

Gelegen zwischen dem Marktplatz mit Rathaus und dem sich westlich befindlichen Stadtmauerzug samt Promenade wird er im Norden von der Hohen Straße, im Süden von der Straße Über den Steinen begrenzt, zwei der ältesten Handelsstraßen mit vorrangig historischer Bebauung. Letztere führte über den Zollberg, vorbei an der Margarethenkirche, hin zur Stephanikirche und dem Markt und zog sich als Reichsstrasse von Braunschweig über Halberstadt, Ditfurt, Hoym nach Aschersleben und weiter über Könnern und Halle nach Leipzig.

 

Ihre „günstige“ Lage bescherte der Stadt aber im 14. Jahrhundert auch fortwährende kriegerische Unruhen. So kam es laut Chroniken mit Unterstützung von Seiten der Bürgerschaft  1320 zur gewaltsamen Übernahme durch den Bischof zu Halberstadt und man wurde dem dortigen Stift unterstellt. Daraufhin erhielten die Aschersleber 1322 von der Witwe Ottos II. das Recht zum Bau einer Befestigungsanlage welche im 14. u 15. Jahrhundert erweitert wurde. Die heutigen Reste der Stadtmauer stammen hauptsächlich aus dem 15. und 16. Jahrhundert.

Im Zuge des Ausbaus der Handelswege und dem dadurch zunehmenden Handel stieg die Bevölkerungszahl im 14. Jahrhundert stark an. 1326 kam es zu einem Beistandspakt mit Quedlinburg, welcher zwei Jahre später mit Halberstadt zum Dreistädtebund erweitert wurde der hundertfünfzig Jahre lang bestand. Für den Groß- und den zwischenstaatlichen Handelsverkehr in Mitteldeutschland legte man 1382 schließlich ein Vereinszahlmittel fest.

 

Erst 1443 wird der Graue Hof im sogenannten Burgkaufbrief wieder erwähnt. Darin veräußerte der Bischof von Halberstadt dem Rat und der Bürgerschaft die Burg sowie die Vogtei vor der Stadt nebst Neustadt und Dingstuhl. Kurz darauf ließ selbiger Bischof die sumpfige Niederung südlich von Haseldorf und Hargisdorf fluten, wodurch zwar Ackerflächen verloren gingen aber große Fischereigebiete entstanden. Der Hof besaß zu dieser Zeit wertvolle Fischereirechte am Gaterslebener See und verpflichtete sich schon bei seiner Schenkung zur Abgabe von „einer Tonne Hering“ jährlich an die Halberstädter Bischöfe.

 

Zu Beginn des sechzehnten Jahrhunderts weckten die Predigten Luthers auch in Aschersleben das Interesse der Bürger. Die Reformationszeit brachte vielen geistlichen und weltlichen Gütern Plünderungen und teilweise Zerstörungen. Auch die beiden Aschersleber Klöster, das der Nonnen St. Marien östlich der Stadt gelegen sowie das der Franziskaner Mönche am Markt, von welchem heute als einzig erhaltener baulicher Rest die Marktkirche zeugt, waren betroffen. Das Kloster Michaelstein wurde in dieser Zeit zwei Mal verwüstet- 1525 durch Bauernhorden und acht Jahre später durch die wilden Parteigänger von Haugwitz. Die Mönche flüchteten, Kloster und Kirche wurden niedergebrannt. Mit dem Fortschreiten der Reformation beschlossen die verbliebenen sieben Brüder zu ihr überzutreten. 1543 wurde das Kloster Michaelstein dann durch den Grafen von Regenstein säkularisiert, der in den nächsten Jahrzehnten Familienmitglieder als weltliche Abte einsetzte.  Auch der Graue Hof in Aschersleben unterstand dem protestantischen Grafen, und die Stadt konnte von diesem verarmenden Adelsgeschlecht einige in der Vergangenheit verlorene Güter rück erwerben. Im darauf folgenden Jahr brachte Herzog Moritz von Sachsen den Grauen Hof mit Gewalt an sich, auf kaiserlichen Befehl hin erfolgt jedoch die baldige Herausgabe.

Am 9.6.1565 wird der Hof und dreiunddreißig Hufe dazugehöriges Land durch den Grafen von Regenstein dem Rat der Stadt gegen ein Darlehen auf zwanzig Jahre verpfändet. Obwohl sich der Rat schon damals um einen käuflichen Erwerb bemühte, verlängerte man den Pfandvertrag nach Ablauf erneut.

Einige Zeit später erhielt der Magistrat die Befugnis den Zehnten von Seedorf, Hasel- und Hargisdorf sowie Winningen pfandweise zu erwerben. Diese Zehnten wurden in den Hof gebracht, womit dessen Bewirtschaftung fortan ganz in den Händen der Stadt lag.

Gegen Ende des Jahrhunderts erlosch das Regensteiner Grafengeschlecht und  ihr Erbe, auch der Graue Hof in Aschersleben, fiel an die Braunschweiger Bischöfe. Nach zweimaliger Verlängerung des Pfandvertrages kündigte Julius August Herzog von Braunschweig, Abt zu Michaelstein diesen. Kurze Zeit später darf der Rat den Grauen Hof jedoch erneut pachten. Die Verhandlungen über einen Verkauf an die Stadt liefen noch bis 1614, aber trotz hoher Investitionen musste der Rat den wertvollen Hof schließlich an das Kloster abtreten.

 

Während des Dreißigjährigen Krieges zogen und lagerten verschiedene Regimenter in Aschersleben. So herrschten die Kaiserlichen Truppen seit 1628 unter Wallenstein in Halberstadt, und hielten sich wiederholt in Aschersleben auf. Mit dem Frieden fiel die Stadt dann zusammen mit dem Bistum Halberstadt an Brandenburg, mit der Souveränität 1663 an Preußen.

Infolge eines Restitutionsedikts des Kaisers zogen 1629 katholische Zisterziensermönche in Michaelstein ein und verlangten von Aschersleben die Herausgabe des Grauen Hofes, welche, trotz Überlegenheit der Protestanten, erfolgen musste. Vom halberstädter Kloster wurde ein welscher Verwalter für den Grauen Hof geschickt, welcher kurze Zeit später beim Einzug der Schweden in die Stadt, von diesen im Hof totgeschlagen wurde. Durch den aschersleber Burgvogt konnte dann jedoch die Rückgabe des Pfandgutes erzwungen werden. Kaiserliche und katholische Mönche kehrten zurück, während dessen das Bistum Halberstadt dauernd von Schweden besetzt blieb. Die Kämpfe um den Besitzanspruch fanden jedoch kein Ende. Mehrfach ließen die Bischöfe von Braunschweig heimlich ihr Wappen an das Tor des Grauen Hofes schlagen, welches die Bürger jedes Mal sofort wieder entfernten.

Die folgenden Jahre waren durch die Kriege mit Polen (1655) und Frankreich (1672) gekennzeichnet. Zu Beginn des achtzehnten Jahrhunderts fürchtete man einen Angriff der Schweden, 1729 drohte es zu einem Krieg mit Braunschweig zu kommen, dessen Truppen sich an der Grenze sammelten.

Einer Urkunde können wir entnehmen, dass der Graue Hof zu dieser Zeit als Stallung für eineinhalb Kompanien Pferde eines Kavallerieregiments diente, nachdem die Gebäude  1723 erneut für achtzehn Jahre an den Rat der Stadt verpfändet wurden. Nach Ablauf dieser Pfandverschreibung wird in den Chroniken von Differenzen zwischen beiden Parteien gesprochen, die zu einem regelrechten Prozess in Halberstadt führten. Schließlich griff der König ein. 1747 kam es mit Zustimmung des Herzogs von Braunschweig zum Kaufvertrag zwischen Kloster und Rat. Es wurde eine Abfindungssumme gezahlt und der Rat erließ die bestehenden Schulden. Zeitlang musste Aschersleben sein Pfandobjekt herausgeben. Zur Sicherung zahlte man bei Vertragserneuerungen immer wieder Darlehen zu dem bereits geborgten Pfandschilling. Jetzt sahen die Schuldner aus Michaelstein offensichtlich ein, dass an eine Wiedereinlösung des Grauen Hofes nicht zu denken sei. Zu diesem gehörten noch knappe 1000 Morgen Land und Zehntgefälle, was immer noch einen stolzen Besitz bedeutete, außerdem war an ihn die Gerichtsoberhoheit und das Patronatsrecht geknüpft. Am 29.4. 1747 ging der Graue Hof samt dazugehöriger Äcker und Liegenschaften endgültig in den Besitz der Stadt über.

 

Im Jahre 1752 begann Friedrich der Große aus der wüsten Stätte Hargisdorf seine Kolonie Königsaue aufzubauen. Aschersleben musste seine dortigen Ländereien in geringer Erbpacht an die Königsauer Kolonien abtreten, womit der Graue Hof für die Bewirtschaftung dieser Äcker nicht mehr zuständig war. Seine Gebäude allerdings gehörten nach wie vor der Stadt.

Der siebenjährige Krieg brachte erneut viele Kampfeshandlungen in und um Aschersleben. Ein halbes Jahrhundert später kam es zu der Schlacht bei Jena und Auerstedt. Zu dieser Zeit lagerten französische Soldaten in Aschersleben, was die städtischen Ausgaben  immens erhöhte. Mit dem am 9.7.1807 geschlossenen Frieden zu Tilsit fiel Aschersleben an das Königreich Westfalen. Weitere acht Jahre später kam es zur Gründung der preußischen Provinz Sachsen. Die ausgedehnten Kornböden des Grauen Hofes nutze man zu dieser Zeit als Magazin für ein Husarenregiment, welches seit dem 23.3.1813 in der Stadt weilte und erst 1884 endgültig nach Stendal verlegt wurde. In den Ställen waren jahrzehntelang die Pferde des Regiments untergebracht.

Schon 1830 wurde das „Stadtarchiv“ eine selbstständige Gebäudeeinheit und diente knapp einhundert Jahre als Stadtgefängnis, bis man es 1958 wieder zum Archiv umfunktionierte.  1867 wurde im Grauen Hof ein Spritzenhaus eingerichtet und zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts lagerte man im Obergeschoss Eisen.

 

Die Gebäude des Grauen Hofes in Aschersleben dienten über die Jahrhunderte hinweg also verschiedenen Zwecken, am längsten jedoch wurden sie landwirtschaftlich genutzt. So machte der zum Wirtschaftshof gehörige Acker um 1900 noch ca. ein Drittel des städtischen Ackerbesitzes aus.

Im Kontext der Revolution in Berlin und Deutschland zogen am 9.11.1918 Soldaten „ohne Kokarde unter Vorantragen einer roten Fahne“ zum Grauen Hof und befreiten dort inhaftierte Militärpersonen.

Während des 2.Weltkrieges diente der Graue Hof als Gestapo-Aussenstelle und HJ-Heim, bevor er bis Ende 1949 der Roten Armee, bis Ende 1953 der Volkspolizei Unterkunft bot. Später beherbergte er die Kraftfahrer des Rates des Kreises. Seit 1993 nutzt der Aschersleber Kunst und Kultur Verein die Räumlichkeiten.

 

CRISTIN SONNEK